Dresden ist eine der wenigen Städte in Deutschland, die seit über hundert Jahren ein großflächiges Straßenbahnnetz erhalten konnte. Doch in Zeiten der aktuellen Einspar-Diskussion lohnt sich ein Blick in die Stadtgeschichte. Denn immer wenn das Geld knapp wurde, so schrumpfte auch das Netz der Straßenbahn unwiderruflich.
Das Dresden im Jahr 2025 ein wirklich großes Straßenbahnnetz unterhält, ist keine Frage. In den vergangenen Jahrzehnten war dies jedoch um einiges komplexer und deckte noch mehr Teile der Stadt ab. Eine Stadt ist lebendig, verändert sich und befindet sich stetig im Wandel. Das gilt neben der Stadt auch für deren Infrastruktur. Doch wie konnte es passieren, das Dresden so viel von seinem Straßenbahnnetz eingebüßt hat?
Wie man ein Straßenbahnnetz „gesundschrumpft“
Die genauen Hintergründe sind komplex, oft situationsbezogen und zum Umfangreich um diese im Detail zu erläutern. Doch bricht man das Problem auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunter, landet man immer wieder bei „fehlenden Geldern“. Einmal war es der Krieg, der die Stadt zerstörte und die Kassen leerte. In Folge des Wiederaufbaus wurde der Fokus auf ein Kernnetz gelegt, um einen Großteil der Bevölkerung im Stadtgebiet zu bewegen.
Das Vorgehen ist vollkommen verständlich, jedoch fehlte ein Plan für die Zeit danach. Die Einwohner fanden sich mit dem Zustand des kleineren Netzes ab und gewöhnten sich daran (ähnlich wie die Verwaltung). Zahlreiche, vor dem Krieg oft sehr relevante, Abschnitte verschwanden und wurden nicht wieder aufgebaut. Das Spiel wiederholte sich im Laufe der Zeit immer wieder auf’s neue. Ob Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre, als der DDR und den Städten das Geld fehlte und „potentiell verzichtbare Abschnitte“ stillgelegt wurden oder auch in den 90er und 2000er Jahren, als die Nachfrage für kurze Zeit zurück ging und die Tore für weitere Einsparungen öffnete.
Immer wenn die Gelder im Haushalt der Stadt fehlten, wurde von der Verwaltung das Netz auf einen wesentlichen Kern fokussiert und stückweise die „unrentablen“ Abschnitte für immer stillgelegt. Ein Teufelskreislauf mit Folgen, denn trotz einzelner Neubau-Projekte in finanziell besseren Zeiten, schrumpfte das Netz über die Jahrzehnte systematisch zusammen.

Warum Kürzungen bei den DVB keine Lösung sind
Viele werden sagen „Man muss sich solch ein Netz auch leisten können und es muss sich rechnen“. Was jedoch nur selten bedacht wird ist die Funktion von öffentlichem Nahverkehr. Seine Aufgabe ist in erster Linie Mobilität für die Einwohner und Touristen zu ermöglich und nicht zwingend wirtschaftlich zu sein. Ein solches Angebot kann nur in wenigen Fällen finanziell sinnvoll betrieben werden und das sollte in unserer Gesellschaft auch kein Problem darstellen.
Jede Einsparung zieht tiefgreifende Einschnitte bei vielen Teilen der Bevölkerung nach sich. Während manche auf alternative Formen der Fortbewegung (Taxi, PKW, Fahrrad, etc.) ausweichen und damit neue Probleme erzeugen, werde andere gänzlich von der Mobilität ausgeschlossen. Die aktuelle Debatte zeigt, dass sich Teile der Politik nicht bewusst sind wie zentral eine stabile Finanzierung ohne Einsparungen für Dresden ist. Das Straßenbahnnetz in Dresden ist bereits auf einem kleinsten gemeinsamen Nenner angelangt und weitere Kostenreduktionen hätten einen weiteren Verlust zur Folge.
Was Einsparungen bewirken können – ein Beispiel
Eine viel diskutierte Möglichkeit in der aktuellen Debatte war die Reduzierung der Taktzeiten in den Randgebieten. Die Streckenabschnitte der Linie 6 (zwischen Leuben und Niedersedlitz) und der Linie 7 (zwischen Gorbitz und Pennrich) sollten von 10 auf 20 Minuten gedrückt werden. Das klingt im ersten Moment nicht sonderlich dramatisch, doch in der Praxis wäre es der erste Schritt eines weiteren Kreislaufs. Durch die reduzierten Fahrzeiten, würden immer mehr Menschen in den betroffenen Einzugsgebieten (mangels Alternativen) auf den ÖPNV verzichten. Auf kurz oder lang wäre der Streckenabschnitt nicht mehr „effizient ausgelastet“ und seine Wirtschaftlichkeit würde ganz in Frage stehen.
Schauen wir auf die Lehren der Vergangenheit, so würden die Linien 6 und 7 in beiden Fällen die eigentlichen Endpunkte perspektivisch ganz auslassen und nur noch bis Leuben (respektive Gorbitz) verkehren. Die wegfallenden Straßenbahn-Strecken würden zu beginn durch Busse ersetzt und im laufe künftiger Kostenoptimierungen ebenfalls ausgedünnt und gänzlich ganz gestrichen. Wer das nicht glaubt, braucht nur einen ausführlichen Blick auf die Geschichte des Dresdner Straßenbahnnetzes zu werfen. Der Ablauf ist immer wieder gleich. Es beginnt mit einer Einsparung aus der Not heraus, läuft einen Weg über eine Busalternative bis hin zum Verlust des ÖPNV-Angebots im betroffenen Gebiet.

Wir haben es selbst in der Hand
Öffentlicher Nahverkehr ist teuer, ohne Frage! Doch der Schaden für die eigene Bevölkerung einer Stadt und den absehbaren Verlust für mehrere Generationen ist erheblich schlimmer. Was einmal weg ist, kommt so schnell nicht wieder. Was es braucht ist eine grundlegende Entscheidung für den ÖPNV in Dresden, denn dieser ist das Rückgrat der Stadt und seine Lebensader. Es ist wichtiger das Gegenteil zu unternehmen und bewusst Angebote zu schaffen. Denn ist eine gut geplante Verbindung mit zielführender Taktung einmal etabliert, wird diese auch systematisch Zuspruch finden.
Wer aktiv etwas für den erhalt des Straßenbahnnetzes unternehmen möchte, dem lege ich diesen Link zum Bürgerbegehren ans Herz. Dieses hat zum Ziel die aktuellen Einsparungen zu verhindern. Einen weiteren spannenden Beitrag zum Thema „verschwundene Bahnschienen“ habe ich vor ein paar Jahren hier verfasst. Dort geht es um die Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Sachsen.
Hinweis: Zum Schluss möchte ich noch einen Hinweis in eigener Sache abgeben. Die von mir erstellten Grafiken basieren auf eigenen Recherchen und ich übernehme keine Haftung für deren Vollständigkeit. Sie sollen einen groben Überblick für die Thematik geben und den Verlust im Schienennetz verdeutlichen. Auch der Sachverhalt im Begleittext ist um einiges komplexer, einige Strecken bereits vor dem Krieg verschwunden und die Geschichte wesentlich umfangreicher. Zum Zwecke einer zugänglicheren Aufarbeitung habe ich mich jedoch bewusst für diese vereinfachte Darstellung entschieden.
Grafiken © kurz-gereist.de