Man sollte doch meinen, dass gerade einem kleinen und kompakten Elektroauto die Zukunft gehört, da es die besten Eigenschaften des motorisierten Individualverkehrs vereint. Doch das kleine E-Auto ist nur ein Mythos und schwer zu bekommen, wie ich selbst feststellen durfte.
In vielen Bereichen ist CarSharing eine kostengünstige Lösung, um Ziele abseits des ÖPNV zu erreichen. Mit Preisen zwischen 20 und 40€ für eine elektrische Renault ZOE den halben Tag über (je nach zurückgelegter Distanz) ist das eine echte Alternative. Doch sobald man solche Wege regelmäßiger zurücklegen muss als nur ein paar Mal im Monat, geht es schon ins Geld. Spätestens ab diesem Zeitpunkt lohnt sich der Gedanke ein eigenes Elektroauto anzuschaffen.
Doch die Suche nach dem idealen Elektrofahrzeug ist fast wie ein Kampf gegen Windmühlen. Das Problem ist hier die Gewinnspanne der Automobilhersteller. Schon bei Verbrennern sind Kleinwagen mit einer geringen Gewinnspanne für die Hersteller behaftet und nur über die Masse wirklich rentabel. Durch die anderen Bauteile beim Elektroauto und die oft zu großen Produktionsketten schrumpft diese kleine Gewinnspanne bei vielen Marken auf nahezu null. Das ist einer der Gründe, warum der Markt für kleine und kompakte Elektroautos so überschaubar ist.
Fehlende Modelle und düstere Zukunftsprognosen
Geht man logisch beim Autokauf vor, so ist ein möglichst kleines Auto geradezu ideal, da es einen kleineren CO2-Fußabdruck in der Herstellung hat, durch sein geringeres Gewicht weniger große Akkus benötigt und auch in Standzeiten weniger kostbaren Straßenraum einnimmt. Trotz dieser Vorteile besteht der aktuelle Markt für Elektroautos zu 90 % aus großen, sperrigen und schweren Fahrzeugen, die für den Einsatz im urbanen Raum meist völlig ungeeignet sind.
Die Auswahl ist recht überschaubar und wird durch lange Lieferzeiten oder düstere Zukunftsprognosen sogar noch weiter geschmälert. Mein erster Gedanke für ein kleines und kompaktes Elektroauto war tatsächlich der Smart EQ fortwo. Er bietet Platz für zwei Personen, etwas Gepäck und füllt den Akku mit 100-150 km Reichweite in etwa 30 Minuten am Wechselstrom-Lader. Doch das kleine süße Stadtauto hat zwei gravierende Probleme: Es hat aktuell Lieferzeiten von 18 – 20 Monate und die Produktion wird Ende des Jahres 2022 eingestellt.
Diese beiden K-O-Kriterien zwingen zur Suche in der nächst größeren Fahrzeugklasse der Kleinwagen. Während es bei Mercedes-Benz keine wirkliche Alternative gibt (und die nächste Fahrzeugstufe, die A-Klasse, ebenfalls eingestellt wird), geht die Suche im VW-Konzern weiter. Hier gab es bis vor wenigen Jahren drei ebenfalls kompakte und sehr beliebte Elektroautos.
Der VW e-Up (der baugleich mit anderem Namen auch unter den Marken Skoda und Seat vertrieben wurde), ist faktisch nicht mehr verfügbar. Während die Ableger von Skoda und Seat eingestellt wurden, gibt es den e-Up mit ganz viel Glück und bei richtigem Sonnenstand auch mal in einer ganz geringen Stückzahl. Doch in der Praxis bietet auch der VW-Konzern kein kleines und kompaktes Elektroauto. Das nächst größere Modell, der ID3, ist eine ganz andere Hausnummer und ebenfalls weit entfernt vom Stadtflitzer.
Geht man die Reihe der großen Konzerne weiter, so fällt Toyota ebenfalls negativ auf. Die Japaner hatten sich bisher voll auf Hybrid-Antriebe fokussiert und weder ein kleines Elektroauto in Planung noch im Verkauf. Zwar gibt es verschiedene kompakte Modelle mit Verbrenner oder teils als Hybrid, aber nicht wirklich mehr.
Lange Lieferzeiten und fehlende Basis-Ausstattung
So etwas wie ein kleiner Hoffnungsschimmer auf der Suche nach einem kompakten Stromer war anfangs Renault. Durch das Carsharing hatte ich erste Erfahrungen mit der Renault ZOE gesammelt. Der Wagen ist technisch gut ausgestattet, jedoch für zwei Personen im urbanen Lebensraum ebenfalls eine Nummer zu groß. Etwas kleiner und mit vielen Smart-Bauteilen ausgerüstet ist da der Renault Twingo. Der ist seit ein paar Jahren ebenfalls als Elektro-Variante verfügbar und wurde zusammen mit der Mercedes-Tochter entwickelt. Mit einer Länge von rund 3,5 Metern ist das Fahrzeug kompakt genug und wäre in der Theorie ein gutes Stadtauto.
Doch die Realität holt einen schnell ein. Kennt man den Smart EQ fortwo im direkten Vergleich, so liegen Welten zwischen den beiden Modellen. Der Smart ist um einiges moderner ausgestattet und fühlt sich wesentlich hochwertiger an. Das beginnt etwa bei Dingen wie einem Notbremsassistenten oder dem 22 kWh-Bordlader, was beim Twingo beides fehlt. Preislich liegen beide nicht weit auseinander und dennoch sind beide nicht vergleichbar. Allein beim Energieverbrauch ist der Smart effizienter und die Energierückgewinnung funktioniert wesentlich zuverlässiger.
Klar wiegt der Smart weniger und ist auch etwas kürzer, aber dennoch holt er bei gleicher Technik mehr raus als der Twingo. Der Twingo zieht den Akku gerade im Winter extrem schnell leer und die Energierückgewinnung ist eher dekorativ als wirklich funktional. Den Todesstoß bekommt der Twingo dann aber durch das Thema Verfügbarkeit und Lieferzeiten versetzt. Die Nachfrage ist (mangels Alternativen auf dem Markt und knapper Verfügbarkeit durch die Lieferengpässe) so hoch, dass selbst der Termin für die Probefahrt knapp vier Wochen Wartezeit benötigte. Möchte man das Elektroauto kaufen, sind weitere 12 – 18 Monate Lieferzeit einzuplanen, da Vorführwagen faktisch nicht Existenz sind.
Wer ganz lange sucht, der findet sogar
Von diesen Erfahrungen etwas enttäuscht darf man aber nicht vergessen, dass es noch Hoffnung gibt. Am Horizont kündigen sich junge, dynamische Firmen an, die genau hier Vorstoßen wollen. Fahrzeuge wie der Microlino der Schweizer Firma Micro Mobility oder der e.GO Life von Next.e.GO Mobile erfüllen genau meine Anforderungen an ein kompaktes Elektroauto. Doch beide Modelle stehen noch am Anfang und bis diese gut Verfügbar sind wird es noch einige Zeit dauern.
Am Ende einer langen Odyssee stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt kleine und kompakte Elektroautos die halbwegs bezahlbar sind? Und tatsächlich gibt es hier zwei mögliche Optionen die es lohnt genauer zu betrachten. Beide kommen überraschend vom Großkonzern Stellantis und werden über deren Marken Opel, Citroën und Fiat vertrieben.
Gänzlich ungewöhnlich ist der Opel Rocks-e, der in Frankreich und weiten Teilen Europas unter dem Branding Citroen Ami erhältlich ist. Es handelt sich um ein Leichtkraftfahrzeug, das extrem klein und leicht ist. Aufgrund seiner Konstruktion ist es als L6e eingestuft und benötigt weder KFZ-Kennzeichen, noch sind Kfz-Steuer oder sonstige Nebenkosten fällig. Mit einer Beschränkung auf 45 km/h ist es kein Rennwagen, aber für Fahrten in der Stadt oder das naheliegende Umland doch mit einem guten E-Bike bzw. S-Pedelec auf Augenhöhe. Im direkten Vergleich bekommt man jedoch einen Wetterschutz, eine kleine Heizung und kann auch Termine wahrnehmen, ohne zu schwitzen.
Wer etwas mehr „Auto“ sucht, dem kann ich einen Fiat 500 ans Herz legen. Das italienische Traditionsauto hatte ich bei meiner ganzen Recherche nie wirklich auf dem Schirm, da es in Deutschland nicht so populär ist. Doch ein genauer Blick lohnt sich auf jeden Fall! Von den Maßen ordnet sich der neue elektrische Fiat 500 zwischen Smart EQ fortwo und Renault Twingo Electric ein, hat vier Sitze und einen (für die Wagenklasse) großen Kofferraum. Was den Fiat 500 in meinen Augen aber besonders macht, ist die technische Ausstattung.
Hier wurde wirklich an alles gedacht, von einer echten Energie-Rückgewinnung über einen Gleichstrom-Anschluss fürs Schnellladen über autonomes Fahren auf Stufe 2, Bremsassistenten, Parksensoren, Rückfahrkamera, Apple CarPlay .. Die Liste kann ich hier ewig fortsetzen. Kurz gesagt bekommt man für den Preis eine Ausstattung, die sonst nur in großen sperrigen Fahrzeugen geboten wird.
Was bleibt ist die Hoffnung auf Veränderung
Rückblickend bleibt zu sagen, dass der Markt für kleine und kompakte Elektroautos faktisch nicht existent ist. Die großen Hersteller haben schlicht kein Interesse daran, zeitgemäße, effiziente und platzsparende Stromer zu bauen, die auch verfügbar sind. Viele gute Ansätze wie Smart EQ fortwo oder VW e-Up wurden schlicht aufgegeben. Für wenige Fahrten ist das Carsharing nach wie vor die bessere Alternative. Doch gerade wer regelmäßig Ziele ansteuert, die weder zu Fuß, mit Bus, Bahn oder Fahrrad erreichbar sind, hat es schwer. Denn große Elektroautos oder gar SUVs machen im urbanen Raum keinen Sinn, verbrauchen zu viel Energie und kosten wertvollen Straßenraum.
Es bleibt zu hoffen, dass es mehr Fahrzeuge vom Stil des Fiat 500 geben wird und hier langfristig ein Umdenken (auch bei den Kunden) einsetzt. Denn nur weil ich einmal im Jahr einen größeren Transport fahre, brauch ich nicht die restlichen 364 Tage des Jahres ein großes Auto fahren. Genau für solche Situationen gibt es in meinen Augen Carsharing-Angebote. Mit dem kleinen Elektroauto oder anderweitig zur nächsten Station, dort für 30-50€ einen Transporter mieten und schon ist allen geholfen.
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