Seit fast drei Jahrzehnten existiert im Bebauungsplan des Gewerbegebiets Dresden Coschütz / Gittersee eine Trasse zur Verlängerung der Straßenbahn. In den 90er Jahren, plante man, das wachsende Industriegebiet bestmöglich an die City anzubinden. Die angedachte Verlängerung der Linie 3 verlief von der Karlsruher Straße, über die Friedhofstraße ins Gewerbegebiet und weiter auf einem eigenen Gleisbett entlang der Stuttgarter Straße bis zur Wendeschleife hinter dem Dr. Quendt Werk.
Das Ziel war klar: Beschäftigte sollten das Auto stehenlassen, der ÖPNV sollte einen spürbaren Schub erfahren. Doch über die Vision für eine Straßenbahn nach Gittersee kam das Projekt nie hinaus. Die Stadt setzte stattdessen auf Projekte wie die Linie 7 nach Pennrich, deren Verlängerung entscheidenden Fahrgastzuwachs und hohe Wirtschaftlichkeit bewies. Im Vergleich dazu blieb das Gewerbegebiet Coschütz/Gittersee mit wenigen potenziellen Fahrgästen und geringer baulicher Verdichtung im Hintertreffen.
Mit der Windbergtram bis Bannewitz?

Die Initiative „Windbergtram“ will den B-Plan nicht nur reaktivieren, sondern die Straßenbahntrasse weiter über die historische Windbergbahn bis nach Bannewitz verlängern. Heute dient diese Strecke teils als Radweg und steht unter Denkmalschutz. Denkbar wäre solch ein Vorhaben durchaus, doch die Hürden in der Realisierung sind entsprechend hoch:
- Rechtliche Hürden: Eigentum bei DB Netz, Pacht durch den Windbergbahn-Verein. Die Trasse ist meist Eisenbahninfrastruktur mit musealer Nutzung. Eine teilweise Entwidmung und anschließende Widmung für Straßenbahnzwecke würde Jahre dauern und erfordert Umwelt- sowie Denkmalschutzprüfungen.
- Naturschutz und Infrastruktur: Im Bereich des Radwegs und angrenzender Biotope sind umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen Pflicht. Der Bau neuer Haltestellen, Barrierefreiheit und moderner Fahrleitungsinfrastruktur erfordern zusätzliche Flächen und Geld.
- Finanzieller Aufwand: Die Verlängerung Richtung Bannewitz, mit Abzweigungen zu Einkaufsmöglichkeiten und Wohngebieten, verdoppelt voraussichtlich die ursprünglichen Baukosten und bewegt sich je nach Planung und Brückenbedarf in Richtung 40 Millionen Euro.
Das Potenzial einer solchen Verlängerung wäre zweifelsfrei größer als die reine Gewerbegebietstrasse. Bannewitz und Umgebung bieten ein solides Einzugsgebiet, das mit dem Simmel-Einkaufszentrum einen starken Frequenzbringer hat. Damit wächst auch der Fahrgaststrom, der für eine Förderung und für die gesamtstädtische Mobilitätswende relevant wird. Doch ohne politische Priorisierung und stadtentwicklerische Initiativen bleibt das Projekt im Status einer Vision.
Zukunftsausblick & Alternativen

Die Vision der Windbergtram-Initiative ist lobenswert, doch die historische Windbergbahntrasse bleibt für den heutigen Pendler- und Alltagsverkehr nach Bannewitz unattraktiv. Die Strecke verläuft kurvig und ist landschaftlich reizvoll, liegt jedoch vielfach abseits dichter Wohn- und Gewerbegebiete. Die längeren Wege und Umwege führen zu deutlich höheren Fahrzeiten, die für die meisten Alltagsreisenden schlicht unpraktisch sind – gerade für Menschen, die täglich zur Arbeit, Schule oder ins Stadtzentrum pendeln.
Für einen praxistauglichen und zukunftsfähigen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs im Dresdner Süden ist daher eine realistische Umsetzung gefragt. Die freigehaltene Trasse im B-Plan für die Straßenbahn durch das Gewerbegebiet Coschütz / Gittersee und Wendeschleife hinter dem Dr. Quendt Werk bleibt die sinnvollste Lösung. Hier kann eine vergleichsweise kompakte Investition gezielt Wirkung entfalten, das Fahrgastpotenzial steigern und als Modell für weitere stadtteilnahe Erschließungen dienen.
Für Bannewitz wäre ein Anschluss über die Windbergbahntrasse kaum alltagstauglich. Sehr viel sinnvoller wäre eine direkte Verlängerung der Linie 11 über Mockritz, Kaitz und Nöthnitz bis zur Windbergstraße. Diese Streckenführung kann schnellere, direktere Reisezeiten gewährleisten, aktiviert neue Einzugsgebiete entlang der Hauptverkehrsachse und bietet dank Umstieg zu den regionalen Buslinien hohe Chancen zur Steigerung der Fahrgastzahlen. Diese Alternative entspricht zudem mehr den aktuellen Ansprüchen einer modernen Stadtentwicklung und wäre realistischer förderbar.


Kartenmaterial © Leaflet – Darstellung: OpenRailwayMap, Daten © OpenStreetMap-Mitwirkende
