E-Mobilität neu gedacht: So funktioniert der Ladehub in Pirna

Ein E-LKW von Mercedes am Ladehub in Pirna

Mit der Eröffnung des ersten Ladehub in Pirna hat SachsenEnergie den Grundstein für ein neues Kapitel der Elektromobilität in Ostsachsen gelegt. Doch was steckt technisch hinter diesem Konzept – und wie sieht der Alltag im Betrieb tatsächlich aus? Nach einem Erstkontakt vor wenigen Wochen hatte ich jetzt Gelegenheit, die „Tankstelle des Elektrozeitalters“ genauer kennenzulernen und tiefer in die technischen Details zu blicken.

Netzanschluss und Lastmanagement: Herzstück des Ladehubs

Eine der größten Herausforderungen moderner Ladehubs ist der Umgang mit enorm hohen Anschlussleistungen. Der neue Standort in Pirna ist direkt am Stromnetz angebunden – zusätzliche Pufferspeicher oder Batterien gibt es hier nicht. Damit ist das Lastmanagement der Anlage von zentraler Bedeutung, denn der Ladehub muss mit der festen Netzkapazität von rund 2 Megawatt auskommen.

Um dieses Limit effizient zu nutzen, setzt SachsenEnergie auf ein intelligentes Stromverteilsystem, das die Ladepunkte über zentrale Stromschienen verbindet. Jede Ladesäule kann maximal 400 Kilowatt Gesamtladeleistung bereitstellen. Die Energie wird jedoch dynamisch und bedarfsgerecht am Standort und an der Säule verteilt. Heißt konkret: Sobald mehrere Fahrzeuge angeschlossen sind, passt sich die Verteilung automatisch an.

Ein Elektroauto, das bereits zu 80 Prozent geladen ist, erhält eine niedrigere Leistung, während ein nahezu leerer Akku, der frisch ansteckt, Vorrang bekommt. Die Fahrzeuge selbst übermitteln relevante Daten wie Ladefähigkeit, Spannung und Stromstärke, so dass die Steuerung in Echtzeit reagieren kann. Auf diese Weise bleiben auch bei hoher Auslastung alle Anschlüsse nutzbar, ohne dass das Netz überlastet wird.

Laden und Reifendruck prüfen bei meinem FIAT 500e
Den Ladevorgang meines Fiat 500e konnte ich zum Check des Reifendrucks nutzen.

Ladeinfrastruktur für verschiedene Fahrzeugtypen

Bei der Planung des Ladehubs hat SachsenEnergie besonders darauf geachtet, unterschiedliche Fahrzeugklassen einzubeziehen. Klassische Elektro-Pkw können an den Hochleistungs-Ladesäulen mit bis zu 400 Kilowatt in wenigen Minuten Reichweite nachladen, sofern es die Bordelektronik des Fahrzeugs unterstützt. Für Plug-in-Hybride gibt es zudem gesonderte, langsamere Ladeplätze, um die Schnellladepunkte nicht mit Fahrzeugen zu blockieren, die ohnehin nur kleine Akkus besitzen.

Darüber hinaus sind die Zufahrtswege so gestaltet, dass auch Elektro-Lkw, Gespanne und Fahrzeuge mit Wohnanhängern problemlos geladen werden können. Die großzügigen Rangierflächen und die Durchfahrtshöhe von mehr als vier Metern erlauben es, mit Anhänger direkt vorzufahren, ohne abzukoppeln. Das ist ein wichtiges Detail, das diesen Hub von vielen bisherigen Ladeparks unterscheidet und die Nähe zur klassischen Tankstellenlogik verdeutlicht.

Die Ladesäule für Plugin-Hybride
Für Plugin-Hybride und Fahrzeuge ohne CCS-Stecker gibt es eine separate Ladesäule.

Dynamische Preisgestaltung als nächster Schritt

Neben der technischen Infrastruktur spielen auch die Tarife eine wichtige Rolle. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen am Standort Pirna dynamische Preise eingeführt werden. Diese dienen nicht nur der fairen Abrechnung, sondern vor allem der intelligenten Auslastungssteuerung. Strom soll dann günstiger sein, wenn der Ladehub weniger frequentiert ist, zum Beispiel nachts oder in verkehrsarmen Stunden. Genauere Details zur preislichen Ausgestaltung gibt es aktuell aber noch nicht, da hierfür auch der Stromeinkauf durch die SachsenEnergie entsprechend angepasst werden muss.

Schon heute orientiert sich der Ladehub am Vorbild klassischer Tankstellen: An der Einfahrt informiert eine Preisanzeige über die aktuellen Kosten, transparent und von weitem sichtbar. Bezahlen können Nutzerinnen und Nutzer unkompliziert mit App, Ladekarte oder Kreditkarte. Der Vorgang mit Kreditkarte kostet derzeit 0,50€/kWh, während man mit der Ladekarte des Anbieters für vergünstigte 0,45€/kWh auffüllen kann.

Möglichkeiten zum ausruhen von der Fahrt und während des Ladens
Kleine Rastplätze ermöglichen eine kurze Pause in der Sonne.

Erste Erfahrungswerte aus dem Testbetrieb

Seit August befindet sich der Ladehub in Pirna im Testbetrieb und die ersten Erfahrungswerte zeigen deutlich, dass das Konzept angenommen wird. Bereits in den ersten Wochen wurden rund 400 Ladevorgänge gezählt. Besonders positiv fällt auf, dass die Kombination von Hochleistungsladepunkten mit Aufenthaltsqualität großen Zuspruch findet. Snackautomaten, Wetterschutz und Pausenmöglichkeiten machen den Ladeprozess für Durchreisende angenehmer. Ergänzt wird das ganze durch praktische Angebote wie eine Anbieter-Neutrale Packstation und kostenfreie Angebote für den Reifendruck.

Doch auch unerwartete Beobachtungen konnten die Betreiber bereits verzeichnen. So werden die Mülleimer vor Ort stärker als erwartet in Anspruch genommen und müssen inzwischen zweimal pro Woche geleert werden. Ein Detail, das verdeutlicht, dass Ladehubs nicht nur reine Stromlieferpunkte sind, sondern zunehmend auch soziale Orte, an denen Menschen Pause machen, essen oder auf Mitfahrer warten.

Bis zu 12 Fahrzeuge können zeitgleich aufladen.
Bis zu 12 Fahrzeuge können zeitgleich in Pirna aufladen.

Der Ladehub in Pirna als Blaupause für ganz Sachsen

Pirna gilt als Demonstrator im neuen Ladehub-Programm von SachsenEnergie. Schon bald sollen ähnliche Standorte in ganz Sachsen entstehen. Insgesamt sind 20 Ladehubs sind momentan geplant. Acht davon sind in der Planung schon weiter vorangeschritten. Der nächste wird in Schkeuditz eröffnet, strategisch günstig am Kreuzungspunkt wichtiger Verkehrsachsen gelegen. Der Ladehub in Pirna dient dabei als Grundlage für die weiteren Planungen. Hier gewonnene Erfahrungen werden auf die kommenden Standorte übertragen. Je nach Platzangebot und Partnern vor Ort sind auch Ergänzungen wie etwa WC-Anlagen und mehr denkbar.

Der Ladehub in Pirna ist weit mehr als ein Ladepark mit ein paar Schnellladesäulen. Durch intelligentes Lastmanagement, flexible Stellflächen und künftig dynamische Tarife wird hier ein Modell erprobt, das sich direkt an den Anforderungen von Auto- und Lkw-Fahrern orientiert. Die ersten Wochen im Betrieb zeigen nicht nur, dass das Konzept technisch funktioniert, sondern mit etwa 400 Ladungen in wenigen Wochen auch, dass es von der Bevölkerung angenommen wird. Der Ladehub in Pirna ist der Prototyp einer „Tankstelle für das Elektrozeitalter“, die zeigt, wie alltagstauglich hochleistungsfähiges Laden aussehen kann.

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