Die vergessene Funkenkutsche von Meißen

Der Streckenverlauf der Meißner Straßenbahn

Stellt euch vor, ihr schlendert durch die malerischen Gassen von Meißen, vorbei an historischen Häusern und dem weltberühmten Porzellan. Kaum einer ahnt, dass hier vor knapp 100 Jahren noch eine Straßenbahn verkehrte – die “Funkenkutsche”. Von 1899 bis 1936 kurvte sie durch die engen Straßen und verband den Bahnhof mit der Altstadt und dem Buschbad. Mit ihren zehn kleinen Triebwagen und acht Anhängern war sie das Rückgrat des öffentlichen Nah- und Güterverkehrs.

Die Geschichte der Meißner Straßenbahn, liebevoll als “Funkenkutsche” bezeichnet, begann am 16. Dezember 1899 mit der Eröffnung der ersten Strecke zwischen dem Bahnhof und der Altstadt. In den folgenden Monaten wurde das Netz schrittweise erweitert, bis am 1. April 1900 die Gesamtstrecke bis zum Buschbad für den Personenverkehr freigegeben war.

In ihrer Blütezeit verfügte die Straßenbahn über einen beachtlichen Fuhrpark von bis zu zehn kurzen zweiachsigen Triebwagen und acht Beiwagen. Die 4,6 Kilometer lange, eingleisige und meterspurige Strecke führte vom Bahnhof Meißen über die Elbe zur Altstadt, dann weiter über den Heinrichsplatz, den Kleinmarkt und folgte der Neugasse, der Talstraße und der Jacobistraße bis zur Endstation am Buschbad.

Kurioses aus der Straßenbahnzeit

  • In den engen Gassen durfte die Bahn nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Manch einer scherzte, man könne schneller laufen! Aus Sicherheitsgründen mussten manche Abschnitte sogar durch Verkehrspolizisten geregelt werden.
  • Während der Hyperinflation 1923 kostete eine Fahrt sage und schreibe 30 Milliarden Mark. Da brauchte man einen Schubkarren voller Geldscheine für ein Ticket!
  • Die Straßenbahn transportierte nicht nur Menschen, sondern auch Güter. Mit einem sogenannten Rollbocksystem konnten sogar große Eisenbahnwaggons durch die Stadt geschleppt werden und ohne Umladen die Betriebe im Triebischtal erreichen.
Der Streckenverlauf der Meißner Straßenbahn
Der ehemalige Streckenverlauf der Meißner Straßenbahn

Warum gibt’s die Funkenkutsche nicht mehr?

Nach nur 37 Jahren musste die Straßenbahn 1936 ihren Personenbetrieb einstellen. Der zunehmende Autoverkehr und die hohen Betriebskosten machten ihr den Garaus. Bis 1968 hielt sich noch der Güterverkehr, doch dann war endgültig Schluss. Heute träumen manche Meißner von einer Wiederbelebung der Straßenbahn. Doch die Kosten wären enorm, und mit knapp 28.000 Einwohnern ist die Stadt wohl zu klein dafür. Schade eigentlich – eine klimafreundliche “Funkenkutsche 2.0” wäre doch was!

Heute gibt es keine Straßenbahn mehr in Meißen, und eine Wiederbelebung scheint unwahrscheinlich. Die Stadt hat zu wenig Einwohner, um die hohen Investitions- und Betriebskosten zu rechtfertigen. Zudem sind die Straßen für den Autoverkehr optimiert, was eine Neueinführung erschweren würde.

Hinzu kommt die S-Bahn-Linie S1, welche dank eigener Brücke die Elbe quert und mit den Haltepunkten „Meißen-Altstadt“ und „Meißen-Triebischtal“ bereits relevante Einzugsgebiete der ehemaligen Straßenbahn abdeckt. Eine Reaktivierung der Bahnstrecke Döbeln-Meißen für den Personenverkehr wird zusätzlich diskutiert, aber die Umsetzung ist aufgrund hoher Kosten und unklarer Finanzierung noch unklar.

Dennoch bleibt die “Funkenkutsche” ein faszinierendes Kapitel der Meißner Stadtgeschichte. Sie erinnert uns daran, wie sich Mobilität im Laufe der Zeit wandelt und dennoch aktuell bleibt. Manchmal lohnt ein Blick zurück, um Probleme der Moderne zu lösen (wie etwa jenes vom innerstädtischen Güterverkehr). Mehr zur Geschichte der Straßenbahn und Bilder gibt es hier. Eine Mitfahrt aus den 30er jähren gibt es hier bei YouTube zum ansehen.

Kartenmaterial im Titelbild © OpenStreetMap Mitwirkende | Quelle